Die Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“, eine unabhängige, interdisziplinär besetzte Expertenkommission, hat kürzlich ihren Abschlussbericht an das für die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs zuständige Bundesministerium – das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) – übergeben. Im Auftrag der Bundesministerin stellt die Kommission in ihrem Bericht unverbindliche Vorschläge vor, wie eine unionsrechtskonforme und zugleich bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 bis zum 7. Juni 2026 in deutsches Recht erfolgen kann. Dass dies in einigen Punkten einen Spagat verlangt, wird auch im Abschlussbericht der Expertenkommission deutlich. Der Fokus der Kommission lag auf der Berichtspflicht nach Art. 9 und dem Auskunftsrecht nach Art. 7 der Entgelttransparenzrichtlinie.
Nachfolgend werden diejenigen Positionen und Umsetzungsvorschläge an den deutschen Gesetzgeber aus dem Bericht zusammengefasst, die in der Kommission eine Mehrheit gefunden haben. Welche dieser Vorschläge sich tatsächlich auch in einem vom Bundesministerium nun zu erarbeitenden Referentenentwurf zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie wiederfinden werden, darf mit Spannung erwartet werden.
- Berichtpflichtiges Entgelt
- Das Entgelt iSd Entgelttransparenzrichtlinie umfasst nach der weiten Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Richtlinie „die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die ein Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses einem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar (ergänzende oder variable Bestandteile) als Geld- oder Sachleistung zahlt“.
- Für die Berichtspflichten soll das Ist-Entgelt maßgeblich sein, das in der Regel in der Entgeltabrechnung hinterlegt ist. Entgeltbestandteile, denen keine Arbeitsleistung im Berichtszeitraum gegenübersteht (z.B. Abfindungen), sollen auszunehmen sein, da anderenfalls die erforderliche Umrechnung in einen entsprechenden Bruttostundenlohn nicht sinnvoll möglich sei.
- Es soll eine Eingrenzung auf eindeutig ablesbare und nachvollziehbare Vergütungsbestandteile (orientiert an der Entgeltbescheinigungsverordnung) erfolgen.
Nicht expliziert adressiert und weiterhin offen bleibt die in der Praxis diskutierte Frage, ob, wie und zu welchem Zeitpunkt Rentenansprüche bzw. Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung als berichtspflichtige Entgeltkomponente einzubeziehen sind. Orientiert man sich wie angeregt an der Entgeltbescheinigungsverordnung (bzw. an dem darin ausgewiesenen Gesamt-Bruttobetrag), wären arbeitgeberfinanzierte Beiträge bzw. Rückstellungen zu betrieblicher Altersversorgung während des Beschäftigungsverhältnisses u.U. nicht berichtspflichtig. Dies wäre sicherlich im Interesse einer bürokratiearmen und aufwandsreduzierenden Umsetzung, allerdings handelt es sich bei Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung unzweifelhaft um eine Entgeltkomponente im Sinne des weiten europarechtlichen Entgeltbegriffs. Dass insofern der verpflichtende materielle Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit von Männern und Frauen eingreift, steht außer Frage. Offen ist jedoch, ob dieser Entgeltbestandteil mit Blick auf den erst nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses erfolgenden Zufluss für Zwecke der Berichtspflicht nach Art. 9 der Richtlinie und der Beantwortung von individuellen Auskunftsanfragen nach Art. 7 der Richtlinie außen vor bleiben kann. Insofern wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert.
- Bestimmte Entgeltbestandteile wie freiwillige Wahlleistungen und Leistungen, die nicht vom Vertragsarbeitgeber gewährt werden, sollen ausgeschlossen werden können (Aktienoptionen, Phantom Stocks, etc.).
- Die Berechnung des Bruttostundenentgeltes (iSd Art. 9 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie) soll anhand der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfolgen dürfen. Diese Aussage ist wohl unter anderem vor dem Hintergrund zu sehen, dass es noch keine flächendeckende Pflicht zur Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit gibt.
- Unternehmen sollen nach Beschäftigungsstaaten getrennte Indikatoren berichten dürfen, was namentlich im Falle von EU-ausländischen Betrieben ohne eigene Rechtspersönlichkeit relevant wäre.
- Eine Konzernberichterstattung soll jedenfalls insoweit möglich sein, dass der Konzern (gemeint ist wohl die Konzernobergesellschaft) die Berichte der Konzernunternehmen bündeln und anstelle der einzelnen Unternehmen berichten kann.
In dem Fall dürfte u.E. jedoch zu berücksichtigen sein, dass die Berichtspflicht für die einzelnen Konzernunternehmen unterschiedlichen EU-Rechtsordnungen unterfallen dürften, wenn die Unternehmen ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben. Zudem müssten sie auch in den jeweils relevanten Sprachen verfasst sein mit Blick auf die Anforderung der Richtlinie, dass die Berichte der jeweils zuständigen staatlichen Überwachungsstelle zu übermitteln sind (vgl. Art. 29 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie).
- Offen gelassen hat die Kommission jedoch, ob die einzelnen Indikatoren über die Unternehmensgrenzen hinweg im Rahmen eines konzernweiten Entgelttransparenzberichts zusammengefasst berichtet werden können. U.E. stünde letzteres nicht im Einklang mit den Richtlinienvorgaben und würde zudem die Aussagekraft des Berichts erheblich verwässern.
- Berechnung des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles
- Bei der Berechnung des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles (Durchschnitt und Median nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a) und c) der Richtlinie) soll das tatsächlich ausgezahlte Bruttojahresentgelt und das entsprechende Bruttostundenentgelt – und nicht das Zielentgelt – zugrunde gelegt werden müssen.
- Umgang mit variablen und ergänzenden Entgeltbestandteilen
- Unternehmen sollen zwecks einer praktischen Handhabung entscheiden können, ob sie die ergänzenden und variablen Entgeltbestandteile zur Erfüllung ihrer Berichtspflichten (aus Art. 9 Abs. 1 Buchstaben b), d) und e) der Richtlinie) als Summe oder einzeln darstellen wollen. Mit Blick auf innerhalb der Kommission geäußerte Bedenken an einer Zusammenfassung sämtlicher ergänzender und variabler Entgeltkomponenten wird als Kompromiss vorgeschlagen, die ergänzenden bzw. variablen Entgeltbestandteile zu inhaltlich sinnvollen Gruppen zusammenzufassen, um dem Risiko zu begegnen, dass mögliche Geschlechterdiskriminierungen bei einzelnen Entgeltbestandteilen verborgen bleiben.
- Sonstige Vorschläge im Zusammenhang mit der Berichtspflicht
- Die Textform (§ 126b BGB) soll genügen, d.h. eine strenge Schriftform im deutschrechtlichen Sinne soll nicht erforderlich sein.
- In die Gesetzesbegründung sollen Hinweise auf anerkannte Tools bzw. Methoden zur Bewertung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten aufgenommen werden.
- Die Berichtspflicht soll nur für Unternehmen mit 100 oder mehr Arbeitnehmern gelten, also kein „goldplating“ bei der Richtlinienumsetzung in Deutschland vorgenommen werden.
- Entgeltunterschiede sollen auf Basis von Vollzeitäquivalenten dokumentiert werden, soweit sich der Bericht allein auf das Bruttojahresentgelt bezieht.
- Es soll für Zwecke der Berichtspflicht zum Entgeltgefälle nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe g) der Richtlinie (geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmern bei Gruppen von Arbeitnehmern) jeweils eine gesonderte Darstellung bezogen auf die Gruppe(n) der außertariflich Beschäftigten und das tarifliche Beschäftigen erfolgen. Hintergrund ist, dass damit ein etwaiges Entgeltgefälle leichter den einzelnen Beschäftigtengruppen (tariflich und außertariflich) zugeordnet werden kann und so vermieden wird, dass etwaige Entgeltgefälle, die bei den außertariflichen Beschäftigten auftreten, unter Umständen fälschlicherweise auf den Tarifvertrag zurückgeführt werden.
- Ein Entgelttransparenzbericht, der ein Entgeltgefälle von weniger als 5 % ausweist, soll den Anschein einer geschlechterspezifischen Entgeltdiskriminierung in einem Equal Pay Prozess widerlegen können.
- Arbeitsbewertung im Hinblick auf die Bildung von Vergleichsgruppenbildung
Gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchstabe g) der Richtlinie ist neben dem durchschnittlichen geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle auch das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle für „Gruppen von Arbeitnehmern“, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, zu dokumentieren. Die Bewertung, ob gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt, ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie anhand objektiver, geschlechtsneutraler und mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarter Kriterien zu bewerten. Diese umfassen mindestens die Arbeitsplatzbewertungskriterien (i) Kompetenzen, (ii) Belastungen, (iii) Verantwortung und (iv) Arbeitsbedingungen, aber ggf. auch etwaige weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind.
- Die Vergleichsgruppenbildung soll der Kommission zufolge im Einklang mit den Bewertungskriterien aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erfolgen, wobei auf den Spielraum hingewiesen wird, den die Richtlinie für etwaige weitere Faktoren lässt, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind.
- Auf die Nutzung wissenschaftsgestützter Arbeitsbewertungstools soll nicht hingewiesen werden müssen. Der Gesetzgeber könne aber das Konzept der gleichwertigen Arbeit konkretisieren, damit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in die Lage versetzt werden, aussagekräftige und rechtssichere Gruppen definieren zu können. Die Bundesregierung könnte die Unternehmen zudem entlasten, indem sie Analyseinstrumente, die „den Anforderungen des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie genügen“, zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung stellt. Die Nutzung
- solcher Tools soll für die Unternehmen aber freiwillig sein.
- Arbeitgeber sollen die Daten getrennt für unterschiedliche Standorte (z.B. in verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Gehaltsniveaus) sowie für historisch gewachsene Altverträge dokumentieren dürfen.
- Vorschläge für die Privilegierung tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber
- Die Frage nach der konkreten Reichweite einer zulässigen Angemessenheitsvermutung für Tarifverträge konnte die Kommission nicht abschließend lösen. Mit einer Angemessenheitsvermutung entsprechend der bisherigen Regelung in § 4 Abs. 5 EntgeltTranspG („Für tarifvertragliche Entgeltregelungen sowie für Entgeltregelungen, die auf einer bindenden Festsetzung nach § 19 Absatz 3 des Heimarbeitsgesetzes beruhen, gilt eine Angemessenheitsvermutung. Tätigkeiten, die aufgrund dieser Regelungen unterschiedlichen Entgeltgruppen zugewiesen werden, werden als nicht gleichwertig angesehen, sofern die Regelungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.“) ist u.E. mit Blick auf EU-rechtliche Vorgaben nicht zu rechnen.
- Es soll jedoch nach dem Vorschlag der Kommission kein betriebliches Mitbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie in Bezug auf die Arbeitsbewertungskriterien in tarifgebundenen bzw. tarifanwendenden Unternehmen und auch keine Zusammenarbeit mit Betriebsräten bei der Vergleichsgruppenbildung geben, sofern der Tarifvertrag den Vorgaben von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie entspricht (qualifizierter Tarifvorrang).
Diese Aussage dürfte sich aber nur auf den entsprechenden tariflichen Anwendungsbereich beziehen, d.h. die betriebliche Mitbestimmung bei der Bewertung der außertariflichen Arbeitsplätze und der entsprechenden Eingruppierung im außertariflichen Bereich unberührt lassen.
- Für Zwecke der Beantwortung des Auskunftsanspruchs nach Art. 7 der Richtlinie soll eine Angemessenheitsvermutung und ein Stufenmodell in der Weise gelten, dass das Auskunftsersuchen bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern zunächst auf Basis eines Stufenmodells auf die Tarifgruppe des Auskunftssuchenden beschränkt ist, d.h. die Vergleichsgruppenbildung soll auf der ersten Stufe zunächst anhand der tariflichen Entgeltgruppe erfolgen können. Eine Korrektur soll nur auf der zweiten Stufe erforderlich sein, wenn die auskunftsersuchende Person nachweist, dass die tarifliche Gruppenbildung den Anforderungen des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht entspricht, d.h. nicht die zwingenden Arbeitsplatzbewertungskriterien berücksichtigt. Allerdings heißt es im Abschlussbericht der Expertenkommission auch, dass tarifgebundene Arbeitgeber für Zwecke der Auskunft über die Kriterien auf die jeweilige Tarifregelung verweisen können sollen, „soweit der Tarifvertrag mit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie im Einklang steht.“ Insoweit ist nicht klar, wie sich die zuletzt genannte Voraussetzung zu dem vorgeschlagenen Stufenmodell verhält.
- Tarifgebundenen und tarifanwendenden Unternehmen soll eine längere Frist zur Beantwortung von Auskunftsbegehren und etwaiger Klarstellungswünsche gewährt werden.
- Entsprechend sollen für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber auch längere Fristen zur Beantwortung von Nachfragen beim Entgelttransparenzbericht und eine verlängerte Frist im Rahmen der Abhilfe gelten, soweit die tariflichen Entgelte betroffen sind.
- Einzelne Tarifnormen, die gegen Art. 157 Abs. 1 AEUV verstoßen (nicht der gesamte Tarifvertrag), sollen nicht mehr zwingend gelten.
- Erleichterungen für Kleinstunternehmen
- 6 Abs. 2 der Richtlinie ermöglicht es, Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten von der Informationspflicht über die Kriterien der Entgeltentwicklung gegenüber den Beschäftigten auszunehmen. Von dieser Öffnungsklausel soll zum Zwecke der Erleichterung Gebrauch gemacht werden.
- Verhältnis zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung nach der Corporate Sustainability Reporting Directive
- Die Kommission appelliert an den Gesetzgeber, die Berichtspflichten nach der Richtlinie mit jenen im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD = Richtlinie (EU) 2022/2464) zu harmonisieren und schlägt vor, dies im Umsetzungsgesetz zur CSRD zu regeln, da die Berichtspflicht bezüglich des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles in der Entgelttransparenzrichtline über diejenige in der CSRD hinausgeht.
- Abhilfeverfahren nach Art. 9 Abs. 10 und Gemeinsame Entgeltbewertung nach Art. 10 der Richtlinie
Art. 9 Abs. 10 der Richtlinie ermöglicht die Einholung zusätzlicher Klarstellungen und Einzelheiten zu allen von dem Arbeitgeber im Entgelttransparenzbericht bereitgestellten Daten. Dieses Recht steht nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch Arbeitnehmervertretern zu. Sind geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede nicht gerechtfertigt, so haben Arbeitgeber Abhilfe zu schaffen, wobei unter anderem auch die Arbeitnehmervertretung zu beteiligen ist. In den Fällen, in denen (i) die Berichterstattung einen Unterschied bei der durchschnittlichen Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von mindestens 5 % in einer Gruppe von Arbeitnehmern ergibt, (ii) dieser Unterschied nicht aufgrund objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien gerechtfertigt ist und (iii) innerhalb von sechs Monaten keine Korrektur stattfindet, ist darüber hinaus eine sog. gemeinsame Entgeltbewertung mit der Arbeitnehmervertretung vorzunehmen, Art. 10 Abs. 1 der Richtline.
- Zuständige Arbeitnehmervertretung
- Als „Arbeitnehmervertretung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 10 der Richtlinie soll stets, auch bei tarifgebundenen Betrieben, die zuständige Betriebsvertretung (Betriebsrat, Gesamt-/Konzernbetriebsrat, Personalrat, Sprecherausschuss der leitenden Angestellten, kirchliche Mitarbeitervertretung) anzusehen sein.
- Gewerkschaften sollen zwar nach überwiegender Auffassung der Kommissionsmitglieder nicht zur Arbeitnehmervertretung im Sinne des europäischen Rechts gehören, aber freiwillig beteiligt werden können. Die Kommission empfiehlt dem Gesetzgeber angesichts divergierender Meinungen in der Kommission, das Abhilfeverfahren und die zuständigen Verantwortlichkeiten präzise zu regeln, um Rechtssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten.
- Umfang der Beteiligung, Abhilfeverfahren
- Es soll eine Beteiligung der Arbeitnehmervertretung stattfinden bei
- der Festlegung der Arbeitsplatzbewertungskriterien nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie,
- der Bestimmung der Gruppe der Arbeitnehmer nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe h) der Richtlinie (d.h. Fragen der Eingruppierung) sowie bei
- der Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Entgeltbewertung.
- Es soll jedoch kein betriebliches Beteiligungsrecht bei tarifgebundenen Arbeitgebern im Rahmen der Festlegung der Arbeitsplatzbewertungskriterien bestehen, soweit der Tarifvertrag den Anforderungen des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie entspricht und korrekt angewendet wird.
- Der Arbeitgeber soll selbständig beurteilen können und die Arbeitnehmervertretung lediglich darüber unterrichten müssen, ob sich aus der Berichterstattung zu Art. 9 Abs. 1 Buchstabe g) der Richtlinie ein geschlechtsspezifischer Entgeltunterschied ergibt, der nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt ist.
Dies wäre eine unternehmensfreundliche Umsetzung, zumal die Richtlinie in ihren Erwägungsgründen die Durchführung einer gemeinsamen Entgeltbewertung vorsieht, „… wenn Arbeitgeber und die betroffenen Arbeitnehmervertreter sich nicht darüber einig sind, dass ein Unterschied bei der durchschnittlichen Entgelthöhe von mindestens 5 % zwischen Frauen und Männern in einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern durch objektive und geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden kann, …“.
- Die Betriebsvertretung muss bei der Erstellung der Entgelttransparenzberichte nicht gleichberechtigt beteiligt werden. Der Arbeitnehmervertretung soll insoweit lediglich ein Recht auf „Anhörung zur Richtigkeit der Angaben“ gewährt werden.
- Der Kommission appelliert an den Gesetzgeber klare, einfache Prozesse und Zuständigkeiten für die gemeinsame Entgeltbewertung zu normieren und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie, der die Gegenstände der Gemeinsamen Entgeltbewertung näher regelt, im Wesentlichen wörtlich zu übernehmen.
- Betriebsratslose Betriebe
- Trotz Erwägungsgrund 43 Satz 4 der Richtlinie, wonach Arbeitnehmervertreter für den Zweck der gemeinsamen Entgeltbewertung von den Arbeitnehmern benannt werden „sollen“, wenn es solche im Übrigen nicht gibt, spricht sich die Kommission dafür aus, dass bei betriebsratslosen Betrieben keine Pflicht zur Schaffung neuer Arbeitnehmervertretungen bestehen soll. In diesen Fällen soll die „gemeinsame“ Entgeltbewertung vielmehr entfallen. Allenfalls soll ein vorhandener Gesamt- oder Konzernbetriebsrat beteiligt werden.
- In betriebsratslosen Betrieben soll auch nicht zwingend eine staatliche Behörde oder Gleichbehandlungsstelle oder ein Sachverständiger für die Entgeltbewertung eingeschaltet werden müssen.
- Abhilfeverfahren und -frist
- Die Richtlinie gibt in Art. 9 Abs. 10 S. 3 vor, dass bei (sich aus dem Entgelttransparenzbericht ergebenden) nicht gerechtfertigten geschlechtsspezifischen Entgeltunterschieden Arbeitgeber in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern, der Arbeitsaufsichtsbehörde und/oder der Gleichbehandlungsstelle innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe zu schaffen haben. Die Kommission schlägt vor, dass den Arbeitgebern gesetzlich eine Frist gesetzt wird (z.B. von sechs Wochen), um die Arbeitnehmervertretung zu unterrichten und anzuhören. Sofern erforderlich, sollen die Beteiligten selbst einen konkreten „Fahrplan“ samt eigener (weiterer) Frist vereinbaren (zweistufiges Verfahren). An Flächentarifverträge gebundene Arbeitgeber sollen im Rahmen ihrer mitgliedschaftlichen Pflichten den zuständigen Arbeitgeberverband informieren.
- Das Nachfragerecht aus Art. 9 Abs. 10 S. 1 der Richtlinie zu den Angaben im Entgelttransparenzbericht soll auf zuständige Parteien beschränkt werden oder zumindest vorsehen, dass es nur in einer sinnvollen vorgegebenen Reihenfolge in Anspruch genommen werden darf. Zudem sollen nur inhaltlich konkret definierte Fragen zulässig sein.
- Es soll klargestellt werden, dass als Abhilfemaßnahmen für nicht gerechtfertigte geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede nicht nur eine „Anpassung nach oben“ für die Zukunft, sondern auch das „Einfrieren“ der Entgelte der begünstigten Gruppe bis zur Herstellung der Entgeltfreiheit oder – unter Einsatz der hierfür bestehenden arbeitsrechtlichen Instrumente – deren Absenkung in Betracht kommen. Ggf. können nach Auffassung der Kommissionsmehrheit im Gesetz selbst die Voraussetzungen klargestellt
- werden, unter denen eine Absenkung zulässig ist.
Eine Absenkung des Entgelts der begünstigten Arbeitnehmer der Vergleichsgründe wäre im deutschen Arbeitsrecht durchaus revolutionär aber aus Arbeitgebersicht sicherlich begrüßenswert.
- Rechtfertigung von Entgeltunterschiedenen
- Die Kommission appelliert an den Gesetzgeber, einen nicht abschließenden gesetzlichen Katalog von Rechtfertigungsgründen für Ungleichbehandlungen unter Zugrundelegung der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zu regeln. Dazu sollen auch Vereinbarungen zur Wahrung von Besitzständen, z.B. nach Umstrukturierungen im Unternehmen oder Unternehmenskäufen, jedenfalls dann zählen, wenn sie vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie am 7. Juni 2026 getroffen worden sind.
Die Bedingung, dass eine vereinbarte Besitzstandsregelung nur dann als Rechtfertigungsgrund herhalten können soll, wenn sie vor dem 7. Juni 2026 vereinbart wurde, erscheint nicht recht nachvollziehbar, zumal sich ein aus sinnvollen unternehmerischen Gründen ergebender Bedarf nach einer Besitzstandsregelung aus den vorgenannten Gründen auch noch nach dem 7. Juni 2026 ergeben kann.
- Objektive geschlechtsneutrale Gründe zur Rechtfertigung von geschlechtsspezifischen Entgeltunterschieden sollen personenbezogen oder -beziehbar sein. Als Beispiele nennt die Kommission etwa lokale Unterschiede und Marktgegebenheiten. Betriebsräte sollen Schulungsangebote zur Förderung des Rechtfertigungsprozesses erhalten.
- Auskunftsanspruch nach Art. 7 der Entgelttransparenzrichtlinie
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht haben sollen, Auskünfte über ihre individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittlichen Entgelthöhen zu verlangen und in schriftlicher Form zu erhalten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche Arbeit wie sie oder gleichwertige Arbeit verrichten.
- Die Auskunftserteilung auf individuelle Auskunftsersuchen von Arbeitnehmern/-innen zu ihrem eigenen Entgelt und dem Durchschnittsentgelt der weiblichen und männlichen Vergleichsgruppe soll eine nachvollziehbare Erläuterung der Vergleichsgruppenbildung enthalten.
- Die Vergleichsgruppenbildung (gemeint sein dürfte die Vergleichsgruppenbildung für die Berichterstattung) soll auch für den individuellen Anspruch auf gleiches Entgelt aus Art. 157 AEUV und den Auskunftsanspruch gelten.
- Zwar können, wenn keine echte Vergleichsperson ermittelt werden kann, andere Beweismittel zum Nachweis einer mutmaßlichen Entgeltdiskriminierung herangezogen werden (einschließlich Statistiken oder eines Vergleichs darüber, wie ein Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation behandelt würde). Eine relevante diskriminierende Benachteiligung kann dementsprechend auch darin begründet liegen, dass eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat oder erfahren würde. Die Heranziehung von fiktiven oder hypothetischen Vergleichspersonen oder Beschäftigten, die das Unternehmen bereits verlassen haben, soll jedoch nach Ansicht der Kommission nicht für die Vergleichsgruppenbildung im Rahmen der individuellen Auskunftserteilung gelten.
- Aus Datenschutzgründen soll eine Mindestgröße der Vergleichsgruppe wie bisher im Entgelttransparenzgesetz (mindestens 6 Personen des anderen Geschlechts in der Vergleichsgruppe) vorgesehen werden. Die Richtlinie gibt jedoch keine Mindestgröße der Vergleichsgruppe als Voraussetzung für die Beantwortung des Auskunftsanspruchs vor, sondern überlässt es den Mitgliedsstaaten datenschutzrechtlichen Bedenken in der Weise Rechnung zu tragen, dass in Fällen, in denen die Offenlegung von Informationen zur unmittelbaren oder mittelbaren Offenlegung des Entgelts eines bestimmbaren Arbeitnehmers führen würde, nur die Arbeitnehmervertreter, die Arbeitsaufsichtsbehörde oder die Gleichbehandlungsstelle Zugang zu den betreffenden Informationen haben sollen. Die Arbeitnehmervertreter oder die Gleichbehandlungsstelle haben dann Arbeitnehmer über mögliche Ansprüche zu beraten, ohne dass die tatsächlichen Entgelthöhen einzelner Arbeitnehmer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, offengelegt wird (Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie). Insofern bestehen Zweifel, ob die vollständige Versagung des Auskunftsanspruchs bei Unterschreiten einer Mindestgröße der Vergleichsgruppe richtlinienkonform wäre.
- Inhalt der Auskunft
- Die Auskunft soll nur über das im Vorjahreszeitraum gezahlte Bruttogesamtentgelt (Summe aller Vergütungen), aufgeschlüsselt in das Bruttojahresentgelt und das entsprechende (auf Basis der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit) ermittelte Bruttostundenentgelt erfolgen.
- Eine Aufschlüsselung in die einzelnen Entgeltbestandteile soll nicht nötig sein.
- Der Arbeitgeber kann noch nicht vollständig abgerechnete Entgeltbestandteile ausnehmen, muss diese aber benennen. Welche Anforderungen an eine solche Benennung zu stellen sind (also ob diese etwa bei variablen Vergütungsbestandteilen betragsmäßig unter Angabe des erwarteten Zielbetrags erfolgen muss), damit keine Transparenzlücken entstehen, ist offen. Eine klare Regelung durch den Gesetzgeber in dieser Hinsicht wäre begrüßenswert. Entsprechende Nachfragen zu derartigen noch nicht abgerechneten Entgeltkomponenten müssten dann aber u.E. wohl zu einem späteren Zeitpunkt zugelassen werden.
- Die bisher unter deutschem Recht geforderte Angabe des Medians als Vergleichsentgelt (§ 11 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG) soll durch die von der Richtlinie geforderte Durchschnittsangabe des Vergleichsentgelts beider Geschlechter in der Vergleichsgruppe ersetzt werden.
- Begrenzung des Auskunftsrechts
- Arbeitnehmer sollen lediglich einmal im Jahr Auskunft über das vorangegangene Kalender- bzw. Geschäftsjahr verlangen können.
- Erstmals soll der Auskunftsanspruch nach dem neuen Recht im Jahre 2027 geltend gemacht werden können, entweder – so die knappe Mehrheit der Kommissionsmitglieder – ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 7. Juni 2027 oder – so eine Minderheit – am 1. Januar 2027. Ob eine derartige Übergangsfrist richtlinienkonform wäre, mag bezweifelt werden. Sie ist jedoch erklärbar, da die Entgeltsystematik entsprechend den materiellen Vorgaben der Richtlinie, auf die sich die Auskunft beziehen soll, erst zum Ablauf der Umsetzungsfrist existieren muss, so dass eine Erstreckung der Auskunftspflicht nach Maßgabe der Richtlinie auf einen Zeitraum vor zwingender Umsetzung der Richtlinie nicht zwingend erscheint.
- Nachfragen zu der erteilten Auskunft dürfen sich nicht auf über die bereits erteilte Auskunft hinausgehende, zusätzliche Informationen beziehen.
- Eine Frist für Nachfragen soll definiert werden (z.B. sechs Wochen). Eine derartige Frist dürfte dann u.E. aber konsequenterweise nicht anzuwenden sein in Bezug auf die transparent gemachten noch nicht abgerechneten Entgeltkomponenten.
- Weitere Vorschläge zum Auskunftsanspruch
- Das zuständige Ministerium soll freiwillige Standard-Auskunftsformulare online bereitstellen.
- Die Auskunft soll digital in Textform (§ 126b BGB) erteilt werden dürfen.
- Die Auskunft soll vom Arbeitgeber „erteilt“, aber vom Betriebsrat als Bote übermittelt werden dürfen, um Anonymität zu wahren.
- „Einheitliche Quelle“
- Die Richtlinie bestimmt, dass die Bewertung, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, nicht auf Situationen beschränkt ist, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für denselben Arbeitgeber arbeiten, sondern auf eine einheitliche Quelle, die die Entgeltbedingungen festlegt, ausgeweitet wird. Der Begriff der durch eine „einheitliche Quelle“ festgelegten Entgeltbedingungen soll nach der Kommission im Zusammenhang mit dem Auskunftsanspruch
- keine Relevanz haben. Dies dürfte u.E. dann gleichermaßen für den Entgelttransparenzbericht gelten.
- Der Gesetzgeber wird gebeten klarzustellen, dass bzw. inwiefern regional unterschiedliche Tarifentgelte zulässig sind, auch wenn sie auf einer einheitlichen Quelle beruhen (z.B. Unternehmenstarifvertrag).
- Digitale Hilfestellungen
- Zuletzt beschäftigt sich die Kommission mit der Rolle der Digitalisierung im Rahmen einer bürokratiearmen Umsetzung. Sie wirft die Frage auf, welche (digitalen) Unterstützungsinstrumente die Bundesregierung sowie die Monitoringstelle Arbeitgebern bereitstellen sollten, um den Aufwand für die Berichtspflichten und Auskunftsansprüche sowie die damit verbundenen Kosten zu reduzieren.
- Die Bundesregierung soll diverse Tools zur Verfügung stellen, die den Vorgaben der Richtlinie entsprechen (z.B. zur Unterstützung bei der Arbeitsbewertung und der Vergleichsgruppenbildung) sowie standardisierte Reporting-Templates.
- Die Anbieter von entsprechender Software sollen aufgefordert werden, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen und Möglichkeiten der Analyse zur Verfügung zu stellen, um mittelständischen Unternehmen einen Wechsel auf ein anderes Tool zu ersparen.
- Es sollte eine Anbindung an bereits existierende, von der Wirtschaft genutzte Infrastrukturen erfolgen, die den Aufwand für die Registrierung, Identifizierung und Authentifizierung so gering wie möglich halten (z.B. ELSTER-Verfahren). Für die Dateneingabe und -übermittlung sollte ein benutzerfreundliches Online-Portal eingerichtet und gebrauchsfertige Vorlagen bereitgestellt werden.
- Es sollten sichere, automatisierte Schnittstellen für die Übermittlung der Daten sowie Schnittstellen zu Software-Anbietern wie DATEV oder AGENDA eingerichtet bzw. die Berichtspflicht in diese Software integriert werden.
- Es soll auf bestehende Transferstrukturen zurückgegriffen werden, anstatt neue zu erschaffen.
Fazit
Die Bemühungen der Kommission, die Umsetzung so bürokratiearm wie möglich auszugestalten, dürften insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen begrüßt werden. Auch der Verzicht auf überschießende Umsetzungsregelungen und überhöhte Anforderungen etwa an betriebsratslose Betriebe erscheint mit Blick auf eine Aufwandsminimierung für Unternehmen sinnvoll. Der Bericht der Kommission sieht zwar ein paar grundsätzliche Weichenstellungen für eine Privilegierung von tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern vor; zugleich macht der Bericht aber auch gerade in diesem Punkt die Schwierigkeit deutlich, beiden Zielen gerecht zu werden, nämlich dem Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung verbunden mit möglichst bürokratiearmen Anforderungen für Unternehmen (das kommt einer „Quadratur des Kreises“ nahe). Mit Blick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten, inwieweit der deutsche Gesetzgeber den Vorschlägen der Kommission folgt, und ob bzw. wie dem Gesetzgeber eine praktikable und zugleich richtlinienkonforme Umsetzung gelingt, die außerdem Rechtsunsicherheiten klärt.
